Die erste deutschsprachige, evangelische Gemeinde in Addis Abbeba hatten 1928 Hermannsburger Missionare gegründet, dazu auch eine Schule „für Kinder der deutschen Kolonie“. Der angemietete Raum befand sich gegenüber der späteren nigerianischen Botschaft. Die Gemeinde wurde vom Leiter dere Hermannsburger Arbeit in Äthiopien, Pfr. Hermann Bahlburg, betreut. 1930 konstituierte sich die Gemeinde als „Deutsche Evangelisch-Lutherische Christuskirche in Addis Ababa“ mit 52 stimmberechtigten Mitgliedern und wuchs weiter. Nach der italienischen Okkupation 1936 wurde es schwierig für die Gemeinde. Die Arbeit nicht nur der Gemeinde, sondern auch der Schule und der Mission musste eingestellt werden, als Pastor Bahlburg Anfang 1942 interniert wurde.
Der deutsche Ingenieur Werner Thiel, mit Regierungsvertrag nach Äthiopien gekommen, sammelte die Gemeinde 1952 erneut und verband sie vertraglich mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKiD) und der Vereinigten Evangelischen Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKiD). Man traf sich in einem angemieteten Lehmhaus in der Tenageswork Street, nahe der Ras Makonnen Brücke. Bereits 1956 beschloss die Gemeinde ein eigenes Gotteshaus zu erwerben.
1957 verließ Familie Thil Äthiopien und als neuer Pastor wurde Dr. Johannes Launhard berufen. Er war als Hermannsburger Missionar in die Hauptstadt versetzt worden, um den Aufbau einer äthiopischen evangelischen Kirche zu unterstützen. Er versah die Pfarrstelle im Nebenamt. Zu dieser Zeit zählten die Gottesdienste nicht mehr als 10 Besucher. Doch nun begann diese Zahl zu wachsen.
Bald wurde das Ehepaar Lauenhard gebeten, an der 1960 erbauten „Deutschen Schule“ an der King Georg Street, nahe Sidist Kilo, 8-10 Stunden Religion zu unterrichten. Durch die neuen Kontakte wuchs die Gemeinde und der Gottesdienst konnte in einen Klassenraum verlegt werden. In einem weiteren Klassenraum konnte nun gleichzeitig Kindergottesdienst stattfinden.
Pfarrer Lauenhard bemühte sich intensiv beim Kaiser um die Schenkung eines Grundstückes zum Kirchenbau. Als ausländischer Organisation war es der Gemeinde nicht gestattet, Grund und Boden zu erwerben. Schließlich konnte ein Gemeindeglied, eine Frau, die früher Erzieherin am Hof gewesen war, die Bitte erfolgreich vor den Kaiser bringen. Er gab schließlich 1961 eine Zusage für ein Grundstück von 2400qm. Im August 1964 erhielt die Gemeinde schließlich die Besitzukunde (Title Deed). Die Baugenehmigung der Stadtverwaltung und ein detaillierter Bauplan lagen bereits vor. Die Kirche sollte einem äthiopischen Tukul, einer Rundhütte, nachempfunden sein. Das „Bureau D’Etudes Henri Chomette“ legte durch seinen Architekten Herr von Seele den überzeugenden Entwurf vor.
Die Grundsteinlegung fand am 21. Oktober 1964 durch den Bundespräsidenten Heinrich Lübke statt. Der Präsident und der Bundeskanzler Ludwig Ehrhard unterstützen den Bau mit jeweils 5000,- DM.
Die Firma Amara & Boscarino erhielt den Zuschlag zum Bau der Kirche, den sie versprach in 165 Tagen für 67 873$ zu bewerkstelligen. Schon 1965 wurde die Gemeinde vertraglich mit EKiD und VELKiD verbunden. Die Kirche in Deutschland half, den Kirchenbau zu finanzieren (sie beteiligte sich mit ca. 35 000,- Äthiopischen $) und versprach Sendung und finanzielle Unterstützung eines hauptamtlichen Pastors zu übernehmen.
Pastor Lauenhard wurde 1966 von der Herrmannsburger Mission nach Aira (Westäthiopien) gerufen. Pastor William L. Graffam trat die Nachfolge an. Er war amerikanischer Abstammung und hatte in Yale studiert. In Deutschland heiratete er und war zuletzt für den Radiosender „Voice of the Gospel“ in Addis Abeba tätig. Am Vorabend der Einweihung der Kirche, die am 26.6.1966 stattfand, wurde er von Oberkirchenrat Klapper (VELKiD) als erster hauptamtlicher Pastor der Gemeinde eingeführt. Die Einweihung der Kirche geschah im Beisein hoher Würdenträger aus Staat und Kirche.
Zunächst erhielt die Gemeinde eine neue Gemeindeordnung und hieß nun „Evangelische Gemeinde Deutscher Sprache in Äthiopien“. Außerdem wurde auf dem Grundstück ein Pfarrhaus gebaut, – groß genug, um die 9-köpfige Pfarrfamilie aufnehmen zu können. Und von Anfang an kümmerte sich die Gemeinde um Menschen in den angrenzenden Siedlungen, die in bitterer Armut lebten. So wurden Spenden gesammelt und gemeinsam mit den Bewohnern für diese Siedlung eine Kanalisation gebaut.
Nach dem Pfarrhaus wurde, als eine der ersten Fertighausbauten, das Gemeindehaus errichtet. Hier traf sich nicht nur die Kirchengemeinde, sondern hier wurde auch ein Medical Center von einer Krankenschwester (Frau Erichson) ehrenamtlich für die Siedlungsbewohner geführt.
Auf Bitten der Dorfältesten hatten es Pastor Graffam und seine Frau ab 1971 übernommen, die Kinder der Siedlung zu unterrichten, die die 2$ für die äthiopische Schule nicht zahlen konnten. Das Nachbargrundstück wurde dazugepachtet, Tukuls wurden errichtetet und darin die Kinder durch Gemeindeglieder unterrichtet. Hinzu kam die Ausbildung in der Hauswirtschaft und eine Teppichweberei für die Blinden. Schon bald wurde auch ein äthiopischer Lehrer eingestellt. Um die Krankenquote weiter zu senken, wurde auch ein Duschhaus gebaut. Ein stetiges Problem war die Finanzierung dieser Arbeit. Schließlich gründetet man eine Sozialstation, die ihre Arbeit über Patenschaften finanzieren sollte und das auch tat. Auch die Christoffel Blinden Mission unterstützte die Arbeit.
Im November 1972 wurde die Schule durch den Kirchenpräsidenten und einen Bischof aus Deutschland feierlich eingeweiht.
Ab 1975 leitete Pastor Dr. Henrich Scheffer die Gemeinde. Insgesamt geriet in den Unruhen dieser Jahre die Gemeinde unter Druck, unter dem die Zahl der Gemeindeglieder unter 50 sank. Ausganssperren und Verhaftungen behinderten die Gemeindarbeit und Enteignungen z.B. der Deutschen Schule und verschiedener protestantischer Kirchen waren Anlass zu großer Sorge. Als eine Vorkehrung für den Notfall wurde 1978 ein Assoziierungsvertrag mit der Mekane Yesus Kirche geschlossen. Die Standads der Sozialarbeit wurden denen der einheimischen Schwesterkirche angeglichen.
Aber die Arbeit des Sozialwerkes konnte dennoch gedeihen. Nach der Ermordung des Kaisers im August 1975 wurde das Blindenwerk des Kaisers aufgelöst und viele blinde Äthiopier bettelten auf der Straße. Die Gemeinde pachtete ein weiteres Grundstück, beschaffte Webstühle aus England und unterrichtete blinde Äthiopier im Weben mit dem Ziel, sie an örtliche Teppichknüpfer zu vermitteln. 1977 wurden im Blindenzentrum 303 Menschen geförderrt. Unter dem Eindruck der Gefahren durch das kommunistische Regime und um die Existenz des Blindenzentrums zu sichern, auch unabhängig von einer Deutschen Gemeinde, verhandelte Pastor Scheffer 1978 mit der Cooperative Union for the Blind die Übernahme und Verselbständigung des Blindenzentrums.
Aus den Anfängen von 1971 mit Elementarunterricht für Mädchen entwickelte sich schnell eine normale Schule. 1974/75 wurden 160 Mädchen in den Klassen 1-6 unterrichtet, 60 Erwachsene besuchten die Alphabetisierungskurse und 9 Lehrer wurden teilzeitlich beschäftigt. 1976 wurden auch Jungen aufgenommen. Sponsoren der Sozialarbeit waren damals die Christoffel Blindenmission und Brot für die Welt. Mit der Kindernothilfe konnte ein Programm mit Patenschaften zwischen Eltern in Europa und den Kindern der Schule organisiert werden.
Pastor Scheffer verhandelte mit den zuständigen Behörden den Status der wachsenden Schule. Sie wurde 1979 schließlich als Privatschule nach den Standards einer äthiopischen öffentlichen Schule anerkannt. Die Schulbehörde stellte Schulbücher zu Verfügung, Religionsunterricht durfte erteilt werden, die Lehrkräfte erfüllten alle Anforderungen öffentlicher Schulen. Abendunterricht für Eltern wird gestartet und das Samstagsprogramm für high school students eingeführt. Wegen der Menge der Bewerber wird ein Aufnahmeverfahren eingeführt. Das stärkste Kriterium ist die Bedürftigkeit der Kinder und sie müssen aus der Nachbarschaft kommen.
Ab 1981 ist Pfr. Garms Pastor der Deutschen Gemeinde. 1983 wird eine Krankenstation durch Frau Berger, Krankenschwester aus Österreich, eingerichtet. Sie konnte die hygienische Situation an der Schule deutlich verbessern. Routinebeschwerden gehen um 40% zurück. 1993 wird eine äthiopische Krankenschwester eingestellt.
In den 80er Jahren ging die Evangelische Gemeinde mit der Katholischen zusammen. Letztere hatte ihren Pfarrer plötzlich verloren und in Absprache mit der Nuntiatur in Rom und dem Außenamt der EKD konnte sich die katholische Gemeinde mit der Evangelischen assoziieren. Seitdem ist es selbstverständlich, dass mehrmals im Jahr für Amtshandlungen, Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen ein katholischer, deutschsprachiger Priester aus einem afrikanischen Nachbarland zu uns nach Addis Abbeba kommt.
Als Pastor Frey 1987 das Amt des Gemeindepfarrers übernimmt, wechselt Pfr. Garms zur CBM nach Deutschland und unterstützt von dort aus die Weiterentwicklung der integrativen Erziehung an der Schule zu einem Pilotprojekt für Äthiopien. Man schickte Schuldirektor Ato Girma auf eine Studienreise nach Indien. Dort unterhält die CBM eine Ausbildungsstätte für Blindenlehrer und blinde Kinder werden bereits an normalen Schulen unterrichtet. Er kommt begeistert zurück und 1990 werden die ersten blinden Kinder in die erste Klasse aufgenommen. Später werden zwei weitere Lehrer nach Indien entsandt.
In dieser Zeit begann die finnische Organisation Interpedia die Sozialstation zu unterstützen. Anstoß dafür gabe ein zufälliges Gespräch im Flugzeug zwischen einem Mitglieder der Gemeinde und zwei Vertreterinnen der Hilfsorganisation.
Berend Veddeler, seit 1993 Pastor der Gemeinde, führte einen neuen Zweig ein, die praktische Berufsausbildung auf Diplomniveau für Bürokaufleute und Sekretariatsmitarbeiter. 1996 begann der erste Kurs mit 20 Jugendlichen. Das Projekt war im Wesentlichen darauf ausgerichtet, bessere Möglichkeiten für eine selbständige Tätigkeit zu schaffen. Es führte auch zu intensiven Kontakten zu Organisationen wie der Äthiopischen Evangelischen Kirche Mekane Yesus (EECMY), der Äthiopischen Orthodoxen Kirche (EOC) und dem SOS-Kinderdorf. Das Programm musste später aus Platz- und Finanzierungsgründen eingestellt werden.
Da die Räumlichkeiteen viel zu klein geworden waren, beschließt die Gemeinde einen 2-stöckigen Neubau. Jahrelange Verhandlungen zu Kauf oder Pacht neuen Landes waren leider erfolglos geblieben. Das neue Schulgebäude bot der Schule die Möglichkeit und den Raum, Kinder in einer vollwertigen Grundschule zu unterrichten, so dass die Klassen 7 und 8 hinzukamen. Ato Teklu Tafesse hat 1996 das Amt des Schuldirektors übernommen und machte sich daran, die Schulerweiterung umzusetzen.
Im Jahr 2000 kam Pastor Joachim Krause nach Addis Abeba. 2006 folgte dann Martin Gossens. Seit September 2011 ist die Kirchenschule Mitglied im PASCH Global Network von Schulen, die Deutsch als Fremdsprache unterrichten. Dieses Programm wird als außerschulische Aktivität durchgeführt und vom Goethe-Institut in Addis Abeba unterstützt.
Ab 2014 übernahmen dann Anja und Karl Jacobi gemeinsam die Pfarrstelle. Sie stießen 2015 die Gründung des Fördervereins „Melkam Edil“ an, der in Deutschland die Pateneltern und Spender für die German Church School betreut und bis heute den überwiegenden Teil der finanziellen Mittel zur Verfügung stellt.
Bei einem Besuch des Bayerischen Ministerpräsidenten 2019 wurde der Bau einer Solaranlage ins Auge gefasst. Neben der Bayerische Staatskanzlei fanden sich bald weitere Spender. Aufbau und Einrichtung dieser Anlage stellten Schule und Gemeinde vor immense logistische und technische Herausforderungen. Schließlich konnte die Anlage 2021 in Betrieb genommen werden und ist mit 60 Paneelen die größte Solaranlage in Addis Abeba.
Die Schule bietet noch heute an allen Schultagen Mahlzeiten an. Sie bietet Nachhilfeunterricht für Schüler, die ihre Ausbildung in der Sekundarstufe II (9-12) fortsetzen, sowie erweiterte Unterstützung für Studierende an Universitäten und Fachhochschulen. Darüber hinaus bietet die Schule einen vorbildlichen Bildungs- und Sozialdienst an und ist Modellschule für Inklusion. Insgesamt werden derzeit ca. 720 Schüler, Studierende und Auszubildende von der GCS gefördert.
Nach 2019 haben mehrere Pfarrer i.R. die Pfarrstelle der Gemeinde verwaltet. Erst 2021 konnte wieder ein Pfarrer, Matthias Rohlfing, für zunächst 3 Jahre auf die Pfarrstelle berufen werden.
Addis Abeba, 22.07.2022
Pfr. Matthias Rohlfing